01.06.2015

Die Garrat ist Realität geworden!

Nach etwas mehr als einem Jahr habe ich nun die Freude meine Garrat als funktionelle Lokomotive auf meiner Modellbahn präsentieren zu können, sagen wir zu 95% fertiggestellt. Wie es nicht anders sein kann habe ich mir per Internet die zugehörigen Wagen mit der "Lucky"-Dekoration beschafft, die meine Lok wie das Original fortan auf allen ihren Reisen begleiten werden (Die Bezeichnung Lucky kommt von er Ähnlichkeit der Wagenlackierung mit dem Design der gleichnamigen Zigarettenmarke in den achtziger Jahren). Hier kommt ein kleiner Vorgeschmack von der fertigen Maschine:


Foto der fertigen Garrat vor einem Wagen in Lucky-Dekoration.

Wie auch die weitere Fotos am Ende dieses Eintrags unter Beweis stellen macht die in Handarbeit entstandene Garrat eine gute Figur, und dies trotz der von mir eingegangenen Kompromisse um eine einwandfreie Funktion auf meiner Modellbahn zu garantieren, die in einigen Bereichen mit 360mm Radien aufwartet. Ich bin sehr zufrieden mit der Realisierung der Maschine, und es fasziniert mich sie in emsiger Bewegung auf den Gleisen zu sehen. Bis der Zustand auf dem Foto oben erreicht wurde war aber zunächst noch Einiges zu tun!

Aus ästhetischen Beweggründen habe ich auf die Montage einer Modellbahnkupplung an Vorderseite der Maschine verzichtet, aber natürlich musste ich eine Kupplung an deren Rückseite montieren um den Zugbetrieb zu ermöglichen. Das sah zunächst gar nicht so einfach aus, die Frage war welche Kupplung geeignet sein könnte und wie diese befestigt werden könnte. Aber manchmal braucht man auch etwas Glück, und die Probleme lösen sich früher als man gedacht hat.
In diesem Fall kam mir zugute dass ich mir bereits vor Jahren eine andere meiner "Sondermaschinen" baute, eine Doppeltraktion der famosen V200, so wie sie vor besonders schweren und langen Zügen gelegentlich zum Einsatz kam. Von diesem Umbau hatte ich noch Kupplungen übrig, und zu meiner grossen Überraschung passten diese perfekt zur Montage am selben Befestigungspunkt des hinteren Laufrades, ohne sie in Bezug auf die Bewegeungsfreiheit, die Höhe oder Länge anpassenzu müssen. Auch in engen Kurven kommt es nicht zu Problemen, und der Abstand zu den Wagen ist ausreichend klein. "Fall gelöst", sagte ich mir, und das Ergebnis kann man auf den Fotos sehen.

Foto der hinteren Pufferbohle mit der Modellbahnkupplungkupplung von oben.

Foto der hinteren Pufferbohle mit der Modellbahnkupplungkupplung von unten. Ebenfalls gut zu sehen ist das Messingprofil welches den Drehwinkel der Vorlaufachse und die seitliche Verschiebung der  Vorlaufachse begrenzt.

Es bleiben immer noch etliche kleine Details, die - zugegebenermassen - vielleicht nicht alle notwendig wären, die ich aber gerne angebracht habe um die Erscheinung meiner Garrat-Lokomotive noch etwas realistischer zu machen:
Die Führerstandsfenster habe ich mit Scheiben aus Polycarbonat hinterlegt, wie bereits auf Bildern zu sehen war.
Beide Pufferbohlen der Lok habe ich mit Zughaken, Ketten und Schäkel ausgestattet, ausserdem habe ich auf der Pufferbohle den aufgestellten Schläuche für die Heizung und die Bremsen montiert. Klappt man bei der hinteren Pufferbohle den Schäkel nach oben kommt man mit der Modellbahnkupplung darunter nicht ins Gehege, und im für den Fall eines Alleinbetriebs ist letztere schnell demontierbar.

Hintere Pufferbohle mit Griffstangen, Heizungs und Bremsschlauch und Schraubenkupplung 

Das Gelenk zwischen dem vorderen Fahrwerk und dem Lokkessel habe ich ähnlich wie bei einer Tenderbrücke mit einem (beweglichen!) Rautenblech abgedeckt welches ich aus einem Tablettenblister gewonnen habe.


Rautenblech welches die Bewegungen zwischen dem vorderem Triebwerk und der Lok zulässt.

Foto des eingebauten Rautenblechs, im Zwischenraum von Wasserkasten und Rauchkammertür. 
Gut zu sehen ist hier auch die einzige sichtbare Schraube im vorderen Fahrwerk. Löst man diese kann der vordere Wasserkasten von der Lok abgehoben werden.

In der Aussparung im vorderen Wasserkasten, vor der Rauchkammertür, habe ich Schaufeln und andere Dinge untergebracht, so wie diese auch auf den originalen Fotos (siehe April 2014) zu sehen sind. Alle diese Dinge stammen aus der Restekiste von irgendwelchem Figurenzubehör. Der blaue Wasserbehälter war mal ein Koffer, dessen Ausguss ist eine Kopf von einem Nägelchen.


Foto der nützlichen Utensilien im Freiraum vor der Rauchkammer im vorderen Wasserkasten.

Auch am hinteren kombinierten Wasser- und Ölbehälter der Maschine habe ich an allen Stellen die durch meine und andere Fotos dokumentiert sind die kleinen Sandbehälter angebracht, die der Lokführer von der Kabine aus aktivieren kann.
        
Foto der Sandbehälter auf der (in Fahrtrichtung) rechten Seite des hinteren Triebwerks.
Foto der Sandbehälter auf der (in Fahrtrichtung) linken Seite des hinteren Triebwerks.

Auch die Hebelaschen, die zum Abheben des Behälters vom darunter befindlichen hinteren Triebwerk dienen, sind aus feinem Messingblech hergestellt und am oberen Behälterrand angelötet. 
Zur Abdeckung der Öleinfüllöffnung auf der Behälteroberseite habe ich mir ein kleines Deckelchen aus Messing gemacht, welches sich leicht demontieren lässt. Diese Öffnung dient dem Zugang mit dem Schraubendreher, um den Behälter auch beim Modell demontieren zu können, um an den darunter befindlichen Motor zu gelangen. Die einzige sichtbare Schraube des hinteren Fahrwerkes ist ebenfalls gut zu erkennen. Auch beim Vorbild befindet sich etwa an dieser Stelle eine nicht näher definierte Haube.
Foto der Aufstiegsleitern, Hebelaschen und der Messing-Abdeckung der Öl-Einfüllöffnung.

Als lustiges Detail konnte ich es mir auch nicht verkneifen die - sicherlich improvisierte- Halterung für den Tonwasserkrug des Lokführers rechts hinter dem Führerhaus nachzubauen. Die Tonflasche selbst (spanisch: botijo) habe ich aus einem Stückchen Holz hergestellt. 


Foto der rechten Seite des der Maschine mit dem Lokführer in der Türe des Führerhauses, dahinter in einer Halterung die Tonflasche. Der Vergleich mit einem Bild welches ich zufällig im Internet gefunden habe ist ganz nett:


Das Führerhaus der Lok habe ich mit Figuren für den Lokführer und den Heizer bestückt. Ich habe diese im Angebot von NOCH gefunden, und sie sind sind ziemlich realistisch zur Darstellung des spanischen Lokpersonals.


Foto der linken Seite des der Maschine mit dem Heizer am Kabinenfenster. Die andere Hand hat er wohl am Ventil für die Wasserzufuhr?

Als eines der letzten Details habe ich noch die stählernen Trittstufen aus feinem Messingblech nachgebildet, welche den Aufstieg vom Hinterteil den kombinierten Öl- und Wasserkasten auf den Ölbehälter ermöglichen. Da es in diesem Bereich bereits unmöglich war zu Löten ohne etwas anderes dabei zu zerstören, habe ich diese Stufen schliesslich geklebt.
Die kleinen Haltegriffe auf den Ölbehälter konnte ich dagegen noch ohne Probleme verlöten, ebenso wie das Knickrohr zur Belüftung des Ölbehälters. Dieses Rohr hat die Funktion ein Vakuum im sonst während der Fahrt meist hermetisch verschlossenen Ölbehälter und damit ein Versorgungsproblem in der Feuerbüchse zu vermeiden. 

Foto des hinteres Teils des Wasserkastens von oben, mit Trittstufen, Haltegriffen und Belüftungsrohr. 

Zum guten Schluss habe ich dann auch noch an der hinteren Stirnwand des Wasserbehälters die kleinen Halterungen zur Aufnahme der Notbeleuchtung oder der Rangierfahnen angebracht, ebenso wie bereits am vorderen Wasserbehälter der Lok. Material und Herstellung der Halterungen sind identisch (Die ausführlich Beschreibung erfolgte im letzten Eintrag in diesem Blog).



Foto der fertigen hinteren Stirnwand der Lok, mit den Halterungen für die Notbeleuchtung.

Zum Schluss sind alle Teile zu lackieren. Wie bereits beim Vorderteil der Lok hilft das Bürsten der Messingteile und deren anschliessende Reinigung mit Alkohol (98%) die Haftung der Farbe zu verbessern. 

Fotos der fertiggestellten Garrat-Dampflok im Ambiente meiner Modellbahn:



Sicherlich könnte man die Arbeit an der Maschine noch eine Weile fortsetzen um sie weiter zu perfektionieren, denn jedes Mal wenn ich mir Fotos der Maschine betrachte fallen mir neue Details ins Auge, die man noch darstellen könnte (aber aus einem halben Meter Entfernung bereits nicht mehr sieht...). Augenblicklich bleibe ich daher bei dem was ich realisert habe und geniesse das Spielen mit der neuesten Kreation meiner "seltenen" Loks auf meiner Modellbahn. 
Wahrhaftig, eine Garrat im Original zu sehen ist bereits im Museum und bei kalter Maschine ein Ereignis, und in Bewegung unter Dampf umso mehr. Ein Quentchen dieser Faszination habe ich mir mit dem neuen Modell auf meine Modellbahn für zuhause mitgebracht, und auch dieses Quentchen beindruckt!
Wen es interessiert kann sich gerne meine Videos auf Youtube anschauen und sich von der Faszination anstecken lassen.

Wenn ich nun Resümee ziehe würde ich sagen dass seit Fabruar 2014 etwa 100 Stunden Arbeit und Freizeit in die Garrat investiert habe, und ausserdem etwa 250 Euro in Material. Etwa die Hälfte der Kosten davon ist auf die Spenderlok zu verbuchen, die BR 96, deren modifizierte Fahrwerke unter der Garrat stecken. Weitere 100 Euro habe ich für den ESU Lokdecoder V4.0 mit Sound und 5-poligem Anker für den Motor ausgegeben. Belässt man den originalen Digitalantrieb der Spendermaschine ist diese Investition natürlich nicht nötig, man hat dann halt keinen Sound und etwas schlechtere Fahreigenschaften.
Nochmal 15 Euro habe ich für den Rauchsatz ausgegeben, auch der ist nicht unbedingt notwendig. 

Mit anderen Worten: 
Ab ca. etwas mehr als 150 Euro kann man sich eine Garrat nach meiner Rezeptur selbst bauen, denn die Kosten für das zusätzliche Material betragen nicht mal 25 Euro. Bei der Berechnung dieses Budgets sind aber einige kühle Bier nicht enthalten, die zur Kühlung des Schweisses der Arbeit und zur Aufrechterhaltung der Geduld nötig sind.

Ich hoffe dass diese nun vollendete Geschichte meine Leser animiert sich auch selbst mal zu trauen eine einzigartige Maschine selbst zu bauen, die nicht in den Katalogen der Modellbahnhersteller zu finden ist. Man muss ja nicht gerade mit der Garrat beginnen, aber der historische Bestand Europäischer Bahnverwaltungen beherbergt noch viele interessante Loks, die bisher keiner gebaut hat. Wie meine Geschichte zeigt, helfen viele profane Materialien, die normalerweise im Abfall landen, bei der Konstruktion.
MUT! Es ist einfacher als man am Anfang glaubt!

1 Kommentar:

  1. Sondermaschinen sind wirklich interessant. Hab mich letztens auch ausführlich über Sondermaschinenbau informiert! Sehr spannend was man damit alles machen kann! LG

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